Elizabeth Baid
Wenn ein Kind oder Jugendlicher das erste Mal mit der Diagnose RP konfrontiert wird, ist dies für gewöhnlich ein schwerer Schock für alle Beteiligten. Dies trifft auch dann zu, wenn die Familie schon seit Langem etwas dergleichen geahnt hat, oder wenn bereits ein anderes Familienmitglied von RP betroffen ist. Wir alle wissen, daß die Art und Weise, wie die Erstdiagnose aufgenommen wird, entscheidend dafür ist, inwieweit die ganze Familie zukünftig mit der Erkrankung zurechtkommt. Leider passiert es noch viel zu oft, daß Betroffene nicht zufriedengestellt sind in bezug auf das, was ihnen gesagt wird und die Art wie es ihnen mitgeteilt wird. Hier kann die RP-Vereinigung in vielen Fällen den ersten Schock überwinden helfen.
In jedem Mitglied einer Familie, in der RP diagnostiziert worden ist, kommen oft viele unterschiedliche Gefühle hoch. Und dies ist auch essentiell wichtig, um die Krankheit wirklich zu akzeptieren. Natürlich macht in dieser Situation niemand genau dieselben Gefühle durch wie der andere, und auch nicht haargenau in derselben Intensität. Dennoch erleben vermutlich die meisten Familien viele dieser Emotionen, die hier nun etwas näher betrachtet werden.
Das Wissen um diese und andere Emotionen und das Verständnis darum könnte den damit betrauten Vereinsmitgliedern von Nutzen sein, um besser helfen und beraten zu können.
Wenn ein junger Mensch als RP-Betroffener diagnostiziert worden ist, kommt der erste Kontakt mit der Vereinigung meist durch die Eltern oder durch andere Erwachsene zustande. Es ist äußerst wichtig festzuhalten, daß der/die RP-Betroffene ein großes Ausmaß an Hilfe und Unterstützung braucht, ebenso wie alle diejenigen, die mit ihm/ihr zusammenleben, wenn es der ganzen Familie gelingen soll, die Behinderung voll zu akzeptieren.
Einige der Gefühle, die Eltern darüber empfinden, daß ihr Kind RP-betroffen ist, sollen im Folgenden beschrieben werden. Welche der Gefühle wann und in welcher Intensität aufkommen, ist den Umständen entsprechend verschieden und hängt unter anderem davon ab, ob bereits andere Familienmitglieder von RP betroffen sind, welche Stellung das Kind in der Familie hat etc. Es ist beispielsweise schwieriger für eine Familie, ihre Situation angemessen einzuschätzen, wenn das erstgeborene Kind der Familie von RP betroffen ist.
Ein gewisser Grad an Schuldgefühlen ist wohl unvermeidlich. Dieses Gefühl wird wahrscheinlich niemals ganz verschwinden. Wenn es jedoch als verständliches Gefühl akzeptiert wird, wird es für die meisten mit der Zeit in den Hintergrund treten. Der Elternteil, der RP direkt weitervererbt wird mehr Schuldgefühle haben. Das trifft auch dann zu, wenn man sich mit dem Wissen um die jeweilige Vererbungsform und die damit verbundenen Risiken für Kinder entschieden hat.
Andere Gefühle können bei diesen Eltern allerdings ebenso stark vorhanden sein. Es entsteht häufig das Gefühl von regelrechter Panik, "was können wir tun?" Danach werden sie oft von Hilflosigkeit überwältigt. Einige finden es dann einfacher, völlig (oder zumindest teilweise) zu leugnen, daß sie und ihr Kind irgendein Problem haben. Es ist dann manchmal einfacher, in Gegenwart von Freunden oder Bekannten die Dinge unter den Teppich zu kehren als zu zeigen, wie es einem wirklich geht, wovon die meisten Leute wahrscheinlich sowieso nichts hören wollen.
Wenn diese Eltern dann einmal die Tatsache anerkennen, daß ein Problem existiert, suchen einige verzweifelt und um jeden Preis nach einer Heilungsmöglichkeit. Wenn sie dann (wie zur Zeit noch der Fall) einsehen müssen, daß es keine Heilung gibt, stürzen sie in eine tiefe Depression, aus der es schwer ist, wieder herauszukommen.
Für alle diejenigen, die sich in einer solchen Situation befinden, ist eine gewisse Trauer notwendig. Etwas in ihrem Kind verschwindet immer mehr und wird eines Tages für immer verloren sein. Das ist schließlich sehr traurig. Um etwas Verlorenes, was immer es auch sein mag, zu trauern, ist ganz natürlich, und die Betroffenen sollten auch dazu angehalten werden, ihre Gefühle auszudrücken und nicht zu verstecken. Alle Eltern sind stolz auf das, was ihre Kinder erreicht haben. Manchmal wird dies nach der Diagnosenstellung von RP limitiert, oder die Eltern erleben es zumindest so. Deshalb empfinden sie zuweilen einen Statusverlust im Vergleich zu anderen Eltern. Für einige ist es sehr schlimm, so gebrandmarkt zu sein. Die Behinderung des Kindes löst alle möglichen Empfindungen in den Menschen aus, die mit der Familie zu tun haben. In den meisten Fällen ändert sich der Bekanntenkreis. Die meisten Eltern empfinden vielleicht besonders zu Beginn ein starkes Gefühl der Isolation. Dieses Gefühl macht Angst, und hier kann die RP-Vereinigung bereits durch ihre bloße Existenz eine Hilfe sein, bis die größte Flut an Emotionen überstanden ist.
Drei weitere Emotionen, mit denen viele fertigwerden müssen sind Angst, Frustration und Ärger. Diese stehen in engem Zusammenhang miteinander und können sehr rasch aufeinander folgen. Die Angst um die Zukunft des Kindes und die Angst davor, es könnte nicht zurechtkommen ist sehr real vorhanden. Das kann zu Frustration führen. "Machen wir es auch richtig?" Dies wird noch verstärkt durch die völlige Unsicherheit, wie die Krankheit weiter verlaufen wird. Frustration wiederum ruft leicht Ärger hervor, Ärger über sich selbst und Ärger über den RP-Betroffenen. Manchmal richtet er sich gegen die Ärzte oder andere Berufsgruppen oder gegen sonst irgendwen, der einem gerade in die Quere kommt. Diesen Ärger ausdrücken zu können ist der wahrscheinlich schnellste Weg, um möglichst gut damit fertigzuwerden. Die Frage "Warum gerade wir?" dürfte den meisten in einer solchen Situation bekannt vorkommen.
Der Zustand, der am zerstörerischsten ist, und aus dem man jemandem nur schwer wieder heraushelfen kann, ist der der Apathie. "Ich kann doch eh nichts tun, warum sollte ich es dann überhaupt versuchen?" Es gibt sicher einige Leute, die nicht mehr aus diesem Zustand herauskommen, zu ihrem eigenen, und zum Schaden ihrer Umwelt.
Die Mehrheit der Familien in dieser Situation beklagen sich bitter über das Fehlen von hinreichenden und klaren Informationen bezüglich der Krankheit und ihres Verlaufes. Unwissenheit ist sehr frustrierend. Man spürt, daß man irgendeine Hilfe braucht, aber man weiß nicht, wo man sie bekommt. Nicht nur, daß es unterschiedliche Formen der Erkrankung gibt, sondern auch unterschiedliche Art der Hilfestellung.
Wenn das Sehvermögen des Kindes sehr rasch abnimmt, müssen Eltern manchmal schwerwiegende Entscheidungen für die Zukunft des Kindes treffen, obwohl sie selbst noch unter Schock stehen. Bei jungen Menschen darf nicht viel Zeit verloren werden, und versäumte Schulzeit ist schwer wieder aufzuholen, insbesondere mit einer Behinderung. Wenn die Eltern aber soviel Information und Unterstützung wie möglich bekommen, sieht die Zukunft für das Kind schon besser aus.
Manchmal können auch die Medien zum Streß beitragen. Es wird viel über "Heilung" geredet und von "Blinden, die wieder sehen können", und so fühlen sich manche ihrer Umwelt gegenüber unter Rechtfertigungsdruck, warum sie nichts tun. Es wird außerdem viel über Integration auf vielerlei Gebieten, besonders im Bereich Schule, gesprochen. Wenn das für Ihr Kind nicht das Richtige ist, sollten Sie sich nicht unter Druck setzen lassen. In der Lage zu sein, die richtige Entscheidung für das Kind zu treffen, darauf kommt es an.
Schon allein die große Zahl an Professionellen, mit der die Familie während dieser Zeit zu tun hat, ist verwirrend, vorallem wenn sie anscheinend nicht zusammenarbeiten. Das ist noch ein weiterer Aspekt, den Eltern regeln müssen, die ohnehin schon am Ende ihrer Kräfte sind.
Die Geschwister eines jungen RP-Patienten sind ebenfalls betroffen, und manchmal werden sie (oder fühlen sich) vernachlässigt. Das an RP leidende Kind und meist auch seine Eltern bekommen sehr viel Hilfe, aber mit den anderen ist ja schließlich "alles in Ordnung", so daß sie oft wenig Aufmerksamkeit bekommen. Sie haben manchmal unzählige Fragen, die schwierig zu stellen sind: "Kann ich das auch kriegen? Kann ich heiraten? Können meine Kinder das vielleicht auch mal kriegen?" Sie haben auch manchmal gute Ideen, denn sie kennen ja ihr RP-betroffenes Geschwister mit am besten. Das Leben ist für Heranwachsende ohnehin schon schwer, und Geschwister haben großen Ärger auf ihre RP-betroffene Schwester oder ihren Bruder, weil er/sie das Leben noch komplizierter macht. Wenn sie solche Gefühle jedoch äußern, laufen sie Gefahr, als selbstsüchtig und egoistisch bezeichnet zu werden.
Viele der Emotionen, die vorher im Zusammenhang mit den Eltern besprochen wurden, treten in gewissem Umfang auch bei den Geschwistern auf. Selbst wenn das von RP betroffene Kind und die Eltern gelernt haben, mit der Situation fertigzuwerden, kann die Familie in eine emotionale Katastrophe schlittern, wenn die Geschwister dies nicht schaffen.
Wenn die Diagnose RP mitgeteilt wird, ist das Kind nicht immer mit im Raum. Oft ist der tiefe Wunsch vorhanden, nicht nur das Kind sondern auch alle anderen vor der vollen Tragweite einer solchen Diagnose zu schützen. Dem Kind nichts zu sagen scheint in diesem Moment der weniger harte und einfachere Weg zu sein. Ärzte wissen leider zu oft nicht, wie sie mit Kindern umgehen sollen. Wenn man einem Kind jedoch nicht von Anfang an die Wahrheit sagt, ist es später umso schwerer, dies zu tun. Zudem erfährt das Kind möglicherweise von irgendeiner anderen Seite her (und dann bestimmt noch falsch), was mit ihm los ist, und das könnte in einer Katastrophe enden. Außerdem macht es sich vielleicht mehr Sorgen als notwendig, wenn es spürt, daß es ein Geheimnis in der Familie gibt. Kinder sind sehr sensibel in bezug auf Stimmungen und spüren, wenn sie auch noch so klein sind, daß etwas in der Luft liegt. Kein Kind ist zu klein, um Fragen zu haben, die nicht einfach und offen beantwortet werden können. Dies kann zu diesem Zeitpunkt zwar sehr viel Überwindung kosten, aber es kann für die ganze Familie eine Hilfe für die Zukunft sein. Die meisten Kinder fragen nicht, wenn sie mit der Antwort nicht fertigwerden können.
Im Gegenteil, wenn man ihnen zuviel sagt, hören sie einfach nicht mehr zu, oder die Information wird irgendwo im Gedächtnis gespeichert, um dort abgerufen zu werden, wenn sie relevant wird. In jedem Alter ist Wissen besser als fehlendes Wissen.
Ein behindertes Kind erweckt in der Öffentlichkeit viel Mitleid. Es ist oft das Objekt von zuviel Hilfe und Neugierde. Es ist nun leicht zu erkennen, was kein Kind besonders mag. Es kommt möglicherweise mit den Reaktionen anderer Leute schlechter zurecht als mit der Krankheit selbst. Bevor das Kind die Diagnose RP erhalten hat, ist es womöglich als tolpatschig oder gar als dumm angesehen worden, und daher mag es notwendig sein, daß seine Rolle entsprechend neu definiert wird. Es möchte vielleicht in der alten Rolle bleiben, anstatt als blind oder sehbehindert zu gelten und leugnet das Problem teilweise oder ganz.
Es gibt auch Kinder, die ihre Probleme mit dem Sehen als Entschuldigung für schlechtes Benehmen oder als Ausrede benutzen, etwas nicht tun zu können. Es ist bequem, alle seine Fehler darauf zu schieben. Die Umwelt fängt ebenfalls an, Fehlverhalten mit dem schlechten Sehen zu begründen. Es ist verständlich, daß schlechtes Sehen zu Frustration und ähnlichen Gefühlen führt, die in einem Kind auch irgendwie zutage treten müssen. Es ist jedoch wichtig für das Kind, darüber zu reden und selbst ehrlich zu versuchen zu verstehen, warum es diese Gefühle hat und sich nicht einfach dahinter zu verstecken oder sie abzustreiten. Er oder sie kann nicht ein Leben lang behütet werden, somit ist es umso besser für alle Beteiligten, je eher er/sie sich mit seinem/ihrem Problem verstehen lernt.
Die Zeit des Heranwachsens kann sehr schön sein, aber selbst für Jugendliche ohne ein sichtbares Problem bedeutet sie harte Arbeit. Für einen jungen Menschen mit RP kann sie traumatisch sein. Die Pubertät ist die Zeit, in der man lernt, mit Veränderungen seines Körpers und seiner Gefühle umzugehen, und sie ist allgemein eine Zeit, in der man seine eigene Identität sucht und sich auf die Zukunft hin ausrichtet. Wenn wir einen Moment innehalten und darüber nachdenken, dann lernen wir in dieser Zeit unser Verhaltens eigentlich größtenteils durch Nachahmung. Mode ist ein ganz offensichtliches Beispiel. Niemand hat es gerne, wenn man ihm sagt, was er/sie zu tun hat, und keiner will aus zweiter Hand lernen. Menschen mit einer Sehbehinderung aber müssen dies in vieler Hinsicht. Die Art wie wir uns bewegen, wie wir uns anziehen, sendet Signale an die Umwelt. Zu keiner Zeit ist dies stärker ausgeprägt als in der Pubertät, denn es dient dazu, Beziehungen aufzubauen und wird in vielen Situationen als Ausdrucksmittel eingesetzt. Wenn man nicht sehen kann, muß man nicht nur diese Botschaften auf andere Weise aufnehmen, sondern man weiß oft selbst nicht, welches Schild man selbst gerne aushängen würde, und welche Möglichkeiten derzeit "in" sind, dies zu tun. Es ist unangenehm, in solchen Dingen immer um Rat fragen zu müssen. Eltern sind oft erstmal voreingenommen gegen alles, was neueste Mode anbetrifft und bringen dann immer wieder denselben Satz: "Das sieht nichts aus, Kind." Freunde trauen sich oft nichts zu sagen, wenn etwas tatsächlich nicht gut aussieht.
Rebellion in der einen oder anderen Form gehört zum Erwachsenwerden hin zu einem selbständigen, verantwortungsbewußten Menschen. Für jemanden mit einem Sehproblem mag es schwierig sein, zu rebellieren, indem man sich schrill und auffallend anzieht, weil man selbst ja nicht weiß, was man mit welcher Kleidung ausdrückt. So fällt ein Bereich von legitimem Protest ganz oder teilweise weg. Am Ende lernen die meisten doch, herauszufinden, was ihnen steht und was sie mögen, aber es kostet Mut und Anstrengung, und einige geben es dann letztendlich doch auf, sich um diesen einen visuellen Aspekt ihres Lebens groß zu kümmern.
Wir alle wissen, daß Jugendliche in der Pubertät besonders aufbrausend sind. Jugendliche mit RP sind noch viel gereizter und frustrierter, und wenn die Spannungen zu groß werden, ist es natürlich schwieriger, mal so richtig zu explodieren, wenn man dabei über die nächste Stufe stolpern könnte. Für Nachtblinde ist es außerdem schwieriger, dadurch zu rebellieren, indem man spät nach Hause kommt. Explodieren ist ein Sicherheitsventil. Temperamentsausbrüche sind wichtig für eine gesunde Entwicklung. Wenn sie aufgrund der praktischen Umstände ganz unterdrückt werden, schwelt der Ärger, richtet sich nach innen und wird zur Depression.
Alle Menschen mit einer Sehbehinderung sind etwas mehr abhängig von Freunden und der Familie als die Sehenden. Deshalb sind sie oft vorsichtiger, um ihre Umgebung nicht zu verletzen, selbst wenn sie provoziert werden, denn man soll die nicht vor den Kopf stoßen, die einem helfen. Es wird oft gesagt, daß Behinderte, besonders Blinde, "so glücklich" sind. Das könnte eine Schutzmaske sein, um die starken Gefühle dahinter zu verbergen. Wenn dem so ist, dann werden die Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt verlagert. Es ist wesentlich schwieriger, zu einem späteren Zeitpunkt noch zu rebellieren (der ganze Satz ist leider nicht lesbar. Anm. d. Üs.)
Es wurden bereits viele Emotionen besprochen, die bei Familien von RP-Betroffenen hochkommen können, was natürlich für alle diese Emotionen auch für den Jugendlichen selbst gilt. Aber aufgrund des Alters kommen sie alle auf einmal und dann auch viel heftiger. Ärger und Niedergeschlagenheit sind die zwei am häufigsten auftretenden Gefühle. Verwirrung spielt bei RP-Betroffenen ebenfalls eine große Rolle. Sie können nicht einfach hergehen und etwas nachschlagen, was so einfach ist, daß es peinlich wäre, jemanden danach zu fragen. Und wenn man eine solche Frage stellt, gibt man vor sich selbst und vor anderen zu, daß man ein Problem hat. Das wiederum ist, wie gesagt, sehr schwer, und bei den meisten Menschen wächst die Fähigkeit, dies zu tun erst mit der Zeit. Jugendliche haben einen starken Drang nach Unabhängigkeit, der ihnen zur Überwindung vieler Dinge eine große Hilfe ist. Aber es ist auch das Alter, in dem es besonders schwer ist, Hilfe anzunehmen und dabei sein Gesicht zu wahren, und für die Umgebung ist es wiederum schwierig, ihm oder ihr die volle Unabhängigkeit zu lassen, besonders wenn Risiken damit verbunden sind. Man ist versucht, den jungen Menschen überzubehüten, was aber womöglich schwerwiegende Folgen haben kann.
Jugendliche verbringen viel Zeit mit Reden und anscheinend bloßem Herumsitzen, und das ist auch sehr wichtig, denn hauptsächlich so lernen sie, sich selbst zu finden als auch herauszufinden, wo sie hingehören. Für jemanden mit einer Sehbehinderung kann dies helfen, Gefühle zu äußern, die, wie schon gesagt, auf andere Art nicht herausgelassen werden können. Man muß dem Jugendlichen Interesse und Verständnis vermitteln, damit er/sie genug Vertrauen bekommt zum Reden. Man kann nicht immer davon ausgehen, daß es stimmt, wenn ein Jugendlicher sagt, es gehe ihm gut. Er/sie kann möglicherweise im Moment nicht darüber sprechen, deshalb ist es wichtig, Wege offen zu halten, damit er/sie auf das Angebot zurückgreifen kann, wenn er/sie bereit dazu ist. Jugendliche können oft arrogant und abweisend sein zu denen, die ihnen Hilfe anbieten. Wenn die Umgebung dann nicht versteht, warum der Jugendliche so schroff und abweisend reagiert, wird er/sie keine Hilfe mehr angeboten bekommen, und die Verlierer sind auf beiden Seiten.
Von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden ist ein weiterer Aspekt im Leben eines jungen Menschen mit RP. Jugendliche, die ihre Behinderung schnell akzeptiert haben, werden es einfacher haben, ihre alten Freunde zu behalten und neue Freunde zu finden. Man neigt dazu, mißtrauisch gegenüber neuen Freunden zu sein. "Warum wollen die meine Freunde sein?" Jugendliche haben dieses Gefühl viel häufiger, da es ihnen an Selbstvertrauen fehlt. Es ist aber ein Gefühl, das häufig nicht ganz verschwindet und von Zeit zu Zeit wieder hochkommt, wenn wir uns schlecht fühlen und verletzlich sind. Die Angst vor Unbekanntem und die Angst, nicht normal zu sein sind bei allen Heranwachsenden sehr stark vorhanden, auch bei denen, die kein sichtbares Problem haben. Das sind Gefühle, die isolieren, da es sehr schwer ist, darüber zu sprechen. Daher haben viele Jugendliche ein ständiges Gefühl von Einsamkeit.
Die Liste von Gefühlen, die junge Menschen mit RP empfinden können ist bei weitem nicht erschöpft. Praktische Abhilfe können Helfer oder die RP-Vereinigung in vielen Fällen nicht schaffen. Aber vielleicht ist die wichtigste Art zu helfen, den Gefühlsprozeß etwas zu verstehen, der womöglich in den Betroffenen abläuft. Es ist wichtig für Helfende, den Ärger und die Ablehnung zu verstehen, die ihnen entgegengebracht werden und sich durch das äußere scheinbare Desinteresse nicht beirren zu lassen. Dadurch ändert sich zwar nichts an der Sache selbst, aber es ist eine große Hilfe in jeder Phase der Problembewältigung. Denn es ist sehr wichtig, jemanden mit einem offenen Ohr zu haben, der aus erster Hand um die Probleme weiß und Verständnis hat.
Übernommen aus einer Rede der britischen RP-Vereinigung, gehalten von Elizabeth Baid und übersetzt ins Deutsche von Dorothee Feuerstein
Elizabeth Baid, geboren 1948, ist Hausfrau und Mutter zweier Kinder. Sie absolvierte eine Ausbildung als Sozialarbeiterin und arbeitete vorallem mit (Seh-)Behinderten. Sie lebt mit ihrem Mann, ebenfalls Sozialarbeiter, in Worcester, England. Elizabeth Baid ist vollständig erblindet. Sie ist Mitglied des Welfare Subcommittee ((entspricht in etwa dem Bereich Soziales)?) der britischen RP-Vereinigung.
Im Text greift Elizabeth Baid sowohl auf ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin als auch auf ihre persönlichen Erfahrungen als Betroffene zurück, um die vielfältigen Gefühle zu beschreiben, die Betroffene empfinden, wenn sie mit der Diagnose RP konfrontiert werden.
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